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Claudia WartmannIn den Himmel wachsen
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Das Buch
Eine ganzheitliche Darstellung der dreizehn im Engadin und im Münstertal vorkommenden Baumarten: eine Kombination aus Biologie und Kultur, aus Information und Literatur, aus Bestimmungshilfe und Volkskunde.
Mit romanischen Gedichten und Textstellen von Peider Lansel, Cla Biert, Jachen Luzzi, Göri Klainguti, Tina Planta-Vital und anderen.
Über 300 stimmungsvolle Fotos zeigen die Bäume in ihren faszinierenden Facetten. Liebevolle Zeichnungen aus dem Unterrichtswerk "Nossas plauntas e bes-chas" von Steivan Brunies offenbaren einen Einblick in spannende biologische Details.
Ein ungewöhnlicher Naturführer, der die Welt der Bäume neu entdecken lässt!
Die Autorin
Claudia Wartmann beschägtigt sich seit vielen Jahren mit der Welt der Pflanzen - sei es als Fotografin, Buchautorin oder Kräuterfrau. Aus ihrer Liebe zu den Bäumen und der engen Beziehung zum Engadin und dem Münstertal ist dieses Buch entstanden.
Schnuppertext
1939 schrieb der Fotograf und Buchautor Domenic Feuerstein über seinen Lieblingswald Tamangur: «… das Feld der Toten vermehrt sich. Jedes Jahr kommen neue Titanen hinzu, strecken sich zum ewigen Schlaf, und der Nachwuchs kann den Ausgleich niemals bringen. Wir können den unausbleiblichen Untergang dieses herrlichen Alpenwaldes nicht aufhalten. Zu arg wurde der Wald seiner stärksten Bäume beraubt, und zu gross wurden die dadurch entstandenen Lücken. Dieser Wald ist dem Tode geweiht!». Tatsächlich präsentierte sich der Wald von Tamangur zu Beginn des 20. Jahrhunderts als äusserst lockerer Wald – die alpwirtschaftliche Nutzung durch intensive Beweidung und das Sammeln von Brennholz hatten ihm arg zugesetzt. Verständlich also, dass Domenic Feuerstein für Tamangur keine Zukunft sah und es sich zur Aufgabe machte, wenigstens eine fotografische Dokumentation der letzten «Titanen» zu erstellen: «Ich will die gewaltigsten, wuchtigsten Bäume im Bilde festhalten, vielleicht weiss mir jemand in späteren Zeiten, wenn der Wald nicht mehr besteht, ein wenig Dank dafür».
Doch Peider Lansel, der unermüdliche Kämpfer für die romanische Sprache, sorgte dafür, dass der Arvenwald von Tamangur unsterblich wurde. In seinem Gedicht «Tamangur» beschrieb er 1923 den sterbenden Wald:
Aintasom S-charl (ingio sun rafüdats
tuots oters gods), sün spuonda vers daman,
schi varsaquants veidrischems dschembers stan
da vegldüm e strasoras s-charplinats.
Tröp sco l’ingual nu’s chatta plü ninglur,
ultim avanz d’ün god dit: Tamangur.
Lansel beschreibt, wie die Arven wie tapfere Soldaten auf dem Schlachtfeld fielen (sco schlass sudats, chi sül champ da battaglia sun crodats), und schlägt dann den Bogen vom sterbenden Wald zur verschwindenden Sprache des Romanischen:
Al veider god, chi pac a pac gnit sdrüt,
sumaglia zuond eir nos linguach prüvà,
chi dal vast territori d’üna jà
in uschè strets cunfins uoss’es ardüt.
Scha’ls Rumantschs nu fan tuots il dovair lur,
giaraj’a man cun els sco Tamangur.
Mit eindringlichen Worten beschwört er die Rätoromanen, ihre Sprache vor dem Untergang zu bewahren, so, wie die alten Arven von Tamangur den Zeiten trotzen: Be nö’ dar loc! ruft er ihnen zu, «nur nicht lugg lan!», wie es 1938 in der Übersetzung der Neuen Zürcher Zeitung hiess. Spendrai tras voss’amur nos linguach da la mort da Tamangur! (bewahrt durch eure Liebe unsere Sprache vor dem Tod des Tamangur!). Seit Lansels Gedicht ist der Wald von Tamangur das Symbol für die romanische Sprache und Kultur schlechthin, ein Zeichen für deren Hartnäckigkeit, ihren Überlebenswillen und ihre Stärke. Kampf und Leidenschaft Lansels haben zur legendären Volksabstimmung 1938 geführt, an der das Rätoromanische mit über 90 Prozent Ja-Stimmen zur vierten Nationalsprache erhoben wurde. Linard Bardill hat zu diesem Gedicht eine Melodie komponiert, worauf sich das Lied zu einer eigentlichen Hymne der Rätoromanen entwickelte.